Ein Blick in die Schatzkammer

Bach-Museum
Mi 2.3.22

»Can you see anything?« »Yes, wonderful things!«

Lord Carnarvon and Howard Carter at the discovery of the tomb of Tutankhamun, 1922

 

In der Schatzkammer sind die wertvollsten Bestände des Bach-Museums ausgestellt. In der Raummitte liegen große Kostbarkeiten: originale Schriftstücke von der Hand Johann Sebastian Bachs. Bachs Autographe und auch viele der übrigen Dokumente, Notenhandschriften und Drucke sind so fragil, dass Sie mehrmals jährlich ausgetauscht werden müssen. Die Schatzkammer wird daher zwei- bis dreimal im Jahr neu bestückt. 

 

In unserer aktuellen Schatzkammer sehen Sie...

 

Mittelvitrinen

Heinrich Nikolaus Gerber fertigte die Abschriften der Englischen Suiten während seiner Unterrichtszeit bei Bach an. Gemeinsam mit den heute in Berlin aufbewahrten Kopien von Bernhard Christian Kayser handelt es sich um die ältesten und wichtigsten Quellen dieser Suitensammlung. Gerber kopierte auch die ausgezierten Fassungen einiger Sätze (darunter die hier gezeigte Sarabande aus der Suite in g-Moll), die einen Eindruck von Bachs Spielweise vermitteln.

Die vier Handschriften gelangten 2011 und Ende 2023 als Schenkung von Sir Ralph Kohn und dessen Tochter Michelle Kohn an das Bach-Archiv Leipzig.

 

Johann Sebastian Bach: Englische Suiten I, III, V und VI BWV 806, 808, 810, 811

Abschriften von der Hand des Bach-Schülers Heinrich Nikolaus Gerber, geschrieben in Leipzig im Jahr 1725

 

Engl. Suiten BWV 811 Prélude    Engl. Suiten BWV 808 Les agréments   Engl. Suite BWV 808 Sarabande

 

Wandvitrinen

Johann Sebastian Bach: Kantate »Liebster Immanuel, Herzog der Frommen« BWV 123, Stimmensatz zur Erstaufführung am 6. Januar 1725 (Epiphanias)

Sopran, Alt, Tenor, Bass, Querflöte 1, Querflöte 2, Oboe d’amore 1, Oboe d’amore 2, Violine 1, Violine 2, Viola, Continuo, Continuo (transponiert und teilbeziffert)

Schreiber: Johann Andreas Kuhnau, Christian Gottlob Meißner, Johann Heinrich Bach, Johann Sebastian Bach, Johann Christoph Altnickol (Umschlag)

Dauerleihgabe des Thomanerchors Leipzig

 

Die Kantate gehört zu Bachs Choralkantaten-Jahrgang, den er zwischen Juni 1724 und März 1725 komponierte. Vom zugrunde liegenden Kirchenlied von Ahasver Fritsch (1679) übernahm Bach die erste und letzte Strophe wörtlich. Die Binnenstrophen passte ein unbekannter Dichter der Komposition als Rezitativ und Arie an. Die ausgestellten Stimmen schrieb überwiegend Johann Andreas Kuhnau. Der Neffe von Bachs Amtsvorgänger Johann Kuhnau war von 1718 bis 1728 Mitglied des Thomanerchors und einer der wichtigsten Kopisten Bachs. Bach kontrollierte und ergänzte die Stimmen und trug die Bezifferung in die transponierte Continuostimme ein.

 

BWV 41, nach 1750 (Penzel)

BWV 41, nach 1750 (Harrer)

BWV 41, nach 1750 (Barth)

Johann Sebastian Bach: Kantate »Jesu, nun sei gepreiset« BWV 41

Stimmen (aus Fasz. 2): Continuo, Basso continuo, Orgel (transponiert und beziffert)

Schreiber: Christian Friedrich Penzel, Gottlob Harrer, Carl Friedrich Barth, um 1750 -1755, Dauerleihgabe des Thomanerchors Leipzig

 

In verschiedenen Stimmensätzen zu Bachs Choralkantaten-Jahrgang gibt es Blätter, die während der Amtszeit seines Nachfolgers Gottlob Harrer entstanden. Sie zeigen, dass die Kantaten dieses Jahrgangs auch nach Bachs Tod noch in Leipzig aufgeführt wurden. Für die Kantate »Jesu, nun sei gepreiset« ist eine Aufführung unter Harrer nachweisbar. Kurz nach Harrers Tod fand im Interimskantorat von Carl Friedrich Barth eine weitere Aufführung statt, für die Christian Friedrich Penzel mehrere Stimmen ausfertigte.

 

Johann Sebastian Bach: Symbolum Nicenum, aus: Messe in h (h-Moll-Messe) BWV 232.4, Abschrift von Ludwig August Christoph Hopff, 1780 - 1786 (?)

 

Im vergangenen Jahr konnte das Bach-Archiv mit dieser Handschrift eine Quelle erwerben, die im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Aufführung dieses Teils der h-Moll-Messe durch Carl Philipp Emanuel Bach in Hamburg steht.

Am 9. April 1786 leitete Bach das »Konzert für das medizinische Armeninstitut« und präsentierte dem Publikum neben eigenen Werken Kompositionen seines Vaters Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händels.
Ludwig August Christoph Hopff fertigte die Abschrift nach dem Autograph Johann Sebastian Bachs an, das sich zu diesem Zeitpunkt im Besitz seines Sohnes Carl Philipp Emanuel befand.

Hopff war ab 1765 Mitglied des Hamburger Kirchenorchesters, wirkte bei Aufführungen Georg Philipp Telemanns und Carl Philipp Emanuel Bachs mit  und befand sich vermutlich auch bei der Aufführung 1786 unter den Musikern.

 

 

Johann Sebastian Bach: Fuge D-Dur für Orgel (Gratias agimus tibi aus der h-Moll Messe BWV 232.4/7 für Orgel notiert), unbekannter Schreiber um 1800

Aus der Sammelmappe »J. S. Bach / Vermischte Orgelstücke« (Sammlung Rudorff der Musikbibliothek Peters)

Dauerleihgabe der Leipziger Städtischen Bibliotheken/Musikbibliothek Peters (Max Abraham & Henri Hinrichsen Memorial Bach Collection)

 

Der Geheime Postrat Karl Philipp Heinrich Pistor erwarb Anfang des 19. Jahrhunderts eine »in zweiter Hand aus Wilhelm Friedemann Bachs Nachlaß« stammende Musikaliensammlung, die später in den Besitz seines Schwiegersohnes Adolf Friedrich Rudorff kam. Um 1830 konnte Felix Mendelssohn Bartholdy, damals etwa 15 Jahre alt, diese Sammlung durchsehen. Seine Eltern waren mit der Familie Rudorff befreundet.

 

Johann Sebastian Bach: Messe in h (h-Moll-Messe) BWV 232, Klavierauszug im Verlag C. F. Peters, Leipzig 1877 (?)

 

Auf dem Titelblatt befindet sich der handschriftliche Eigentumsvermerk des Malers, Grafikers und Bildhauers Max Klinger »M. Klinger. Paris 1886«.

Klinger, 1857 in Leipzig geboren, lebte vom Sommer 1883 bis Ende Juli 1886 in Paris. Dort schuf er u. a. das Gipsmodell für seine 1902 fertiggestellte Marmor-Plastik von Ludwig van Beethoven. Neben Beethoven widmete Max Klinger den Komponisten Richard Wagner, Richard Strauss und Johannes Brahms mehrere Werke.

 

 

Ansicht der Freien Reichsstadt Mühlhausen, Kupferstich von Caspar Merian, 1650

 

Von Juni 1707 bis Juni 1708 war Bach als Stadtorganist an der Kirche Divi Blasii in Mühlhausen angestellt. In diese Zeit fällt die Trauung Bachs mit Maria Barbara Bach, seiner ersten Ehefrau, in der Kirche in Dornheim.

Zu Bachs Aufgaben gehörte auch die Aufführung von Kantaten, unter anderem zum jährlichen Ratswechsel. Obwohl Bach in Mühlhausen ein hohes Ansehen genoss reichte er nach einem Jahr sein Entlassungsgesuch ein, um einem kurzfristigen Anstellungsangebot aus Weimar zu folgen. Der Rat der Stadt stimmte Bachs Antrag mit der Notiz zu: »Weil er nicht aufzuhalten, müsste mann wohl in seine dimißion consentieren«.

 

 

Georg Christian Eilmar: Neuer Kirchen-Redner, wie derselbe auf der Cantzel sich gebührend zu erweisen, Frankfurt und Leipzig 1706

 

Zu den Freunden von Johann Sebastian Bach und seiner Frau Maria Barbara in Mühlhausen zählte die Familie des Pastors der Marienkirche Georg Christian Eilmar. Er übernahm das Patenamt bei Bachs erster Tochter Catharina Dorothea Bach (getauft im Dezember 1708 in Weimar). Eilmars verheiratete Tochter Anna Dorothea Hagedorn wurde im November 1710 Patin bei Wilhelm Friedemann Bach.
In einer Notiz auf seiner handschriftlichen Partitur der Kantate »Aus der Tiefen rufe ich, Herr, zu dir« BWV 131 benennt Bach Eilmar als Initiator der Komposition.
Wahrscheinlich entstand sie für einen Bußgottesdienst nach einem Brand, der im Mai 1707 große Teile von Mühlhausen zerstörte.

 

 

    

Notgeldscheine der Stadt Mühlhausen, gültig vom 1. April bis 31. Oktober 1921

 

Während des Ersten Weltkriegs und in den Jahre danach wurde in Deutschland sogenanntes Notgeld verwendet. Dabei handelte es sich, durch das Fehlen von Metallen für die Münzherstellung, vor allem um Scheine. Auch Städte und Gemeinden waren aufgefordert, eigene Zahlungsmittel zu drucken. Es entstand dabei lokales Notgeld mit begrenzter Gültigkeitsdauer, das oft mit historischen Motiven der jeweiligen Region versehen war. In Mühlhausen benutzte man für 50-Pfennig-Scheine 1921 einen Auszug aus Bachs Entlassungsgesuch von 1708.

 

 

Zum Jubiläum Dreihundert Jahre Johann Sebastian Bach in Mühlhausen beteiligten sich 8 Künstlerinnen und Künstler mit ihren Arbeiten an einer Mappe, die in limitierter Auflage entstand. Alle besitzen eine enge Verbindung zu Mühlhausen und zur Musik Johann Sebastian Bachs. Dabei wurden Notenblätter wie auch Interpretationen zu seiner Persönlichkeit oder zu Wirkungsstätten zum Ausgangspunkt der Gestaltung der verschiedenen Drucke.

 

Lithografien aus der Grafikmappe »Soli Deo Gloria«, Mühlhausen 2007

Rüdiger Mussbach, Katrin Prinich-Heutzenröder, Kay Voigtmann

Medaillen

Medaillen, auch Denk- oder Schaumünzen genannt, werden seit Jahrhunderten zur Erinnerung an Personen oder historische Ereignisse hergestellt. Die früheste Medaille mit einem Porträt Johann Sebastian Bachs erschien 1880 in Hamburg.
1950 ließ die Stadt Leipzig eine Medaille als Ehrengabe zum Deutschen Bachfest aus Meissner Porzellan anfertigen. Diese nahm die Stadt Leipzig als Vorlage für ihre Bach-Medaille. Seit 2003 wird sie jährlich an herausragende Interpreten für ihre besonderen Verdienste um Aufführungen und Pflege der Musik Johann Sebastian Bachs vergeben.

 

»Ehrengabe der Stadt Leipzig zum Deutschen Bachfest 1950«, Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen

 

»Bach-Medaille der Stadt Leipzig«, Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen

 

Frank Ruddigkeit, Medaillen zum 300. Geburtstag von Johann Sebastian Bach

Variante I und Variante II aus der Medaillenedition des Staatlichen Kunsthandels der DDR 1985

 

 

Der in Leipzig lebende Frank Ruddigkeit, ein Künstler mit Doppelbegabung, musste sich in seiner Jugend entscheiden, Musiker oder Maler zu werden. Er wählte die bildende Kunst und beschäftigte sich mehrfach mit musikhistorischen Themen. 1974 zeichnete er einen ersten Entwurf für ein drittes Bach-Denkmal, dem Anfang der 1980er Jahre weitere konkrete Entwürfe und 1985 ein Modell folgten.
Die gezeigten Medaillen, in denen Ruddigkeit die Einheit von Komposition und spielpraktischer Perfektion im Porträt des Komponisten herstellt, weichen komplett von der traditionellen Form von Medaillen ab. Nur die zweiseitige Gestaltung, die Technik (Guss) und das Material (Bronze) blieben.

 

 

 

Gerhard Kurt Müller: Holzplastik Johann Sebastian Bach

Atelieraufnahmen während der Arbeit, Plastik in der Sammlung des Museums der bildenden Künste Leipzig

 

Der 1926 in Leipzig geborene Gerhard Kurt Müller studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und leitete einige Jahr die Klasse für Grafik und Illustration. Von 1964 bis 1966 war er Rektor der Hochschule.
Um 1980 begann er sich mit der Idee einer Bach-Büste zu beschäftigen. Nach dem Fund eines 140 Jahre alten Eichenstammes in der Nähe seines Ateliers in Friedrichsdorf bei Erfurt, begann er an der Plastik zu arbeiten. Sie weicht vom herkömmlichen Bach-Bild ab, ist blockhaft aus dem Holz geschlagen. Sie zeigt Bach kurz vor seinem Tod mit fast geschlossenen Lidern, die auf die zwei mißglückten Augenoperationen im März und April 1750 deuten. Trotzdem wirkt der schon vom Tod Gezeichnete nicht gebrochen.

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