Bühne frei für Johann Sebastian Bach

Sonderausstellung in 3 Akten
zum 300-jährigen Jubiläum von Bachs Amtsantritt in Leipzig

21. März 2023 bis 24. März 2024

Jubiläumsausstellung in drei Akten

1723 begann ein neues Kapitel der Musikgeschichte: Johann Sebastian Bach wurde zum Thomaskantor in Leipzig gewählt. In 27 Jahren schuf er ein einzigartiges Werk, das heute zum Weltkulturerbe der Menschheit gehört. Vom Thomaskirchhof aus traten seine Werke ihren Siegeszug rund um dem Globus an. Doch was ist eigentlich das Geheimnis von Bachs Musik? Worin zeigt sich ihre besondere Qualität und Innovation? Und warum war sein Wechsel nach Leipzig für sein kompositorisches Schaffen so maßgeblich? Die Jubiläumsausstellung bereitet Bachs unerschöpflicher Kunst in drei Akten eine Bühne – zum Sehen, Hören und spielerischen Entdecken.

1. Akt: Kirchenmusik zu Ehren Gottes

21. März bis 9. Juli 2023

 

Kaum in Leipzig angekommen, widmete sich Bach mit ganzer Kraft der Kirchenmusik. In wenigen Jahren schuf er ein eindrucksvolles Kantatenwerk – etwa 60 Kompositionen im Jahr. Dazu komponierte er Werke wie das Magnificat, die Johannes- und die Matthäus-Passion. Kunstvoll und ausdrucksstark setzte der gläubige Protestant Bibelworte und Choräle in Szene. Wie wichtig ihm diese Eckpfeiler der geistlichen Vokalmusik waren, zeigt exemplarisch seine sorgfältige Reinschrift der Matthäus-Passion: Bibelworte und Choräle hob er darin in roter Tinte hervor. Seine besondere Art, vierstimmige Choräle zu setzen, wurde gar begriffsprägend: sie heißen schlicht Bach-Choral. Für die auf freier Dichtung basierenden Arien und Rezitative erfand er eine schier unglaubliche Anzahl an individuellen und immer wieder überraschenden Lösungen.

 

Die große Sorgfalt, mit der sich Johann Sebastian Bach jeder einzelnen Komposition widmete, ist in dieser Glaubensauffassung begründet. Seine überragende Kunstfertigkeit zeigt sich in einem einfachen Orgelchoral ebenso wie in der Matthäus-Passion, in der er bis an die Grenzen des Möglichen vorstieß. Dabei engte ihn sein Glauben künstlerisch in keiner Weise ein. Seine musikalische Sprache zeugt stets von großer Wissbegierde, Offenheit für Veränderungen und Integrationsfähigkeit.

 

Bachs Erfindungsreichtum und Originalität erkannten schon seine Zeitgenossen. Bis heute ist die faszinierende Wirkung seiner Kompositionen ungebrochen. Seine Kirchenkantaten, Oratorien und Passionen haben universellen Charakter und berühren Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und Prägung. Im Zentrum des ersten Akts der Jubiläumsausstellung steht Bachs geistliche Vokalmusik.

 

Bildnachweis: Gert Mothes

2. Akt: Auf der Suche nach musikalischer Vollkommenheit

22. Juli bis 5. November 2023

 

Bach wollte in der Kunst alles Denkbare möglich machen. Elaboratio: das völlige Durchdringen des musikalischen Materials ist das vielleicht typischste Merkmal von Bachs Personalstil. Akt 2 erläutert es an Bachs wegweisenden Sammlungen für Tastenmusik.

 

Der zweite Akt der Ausstellungsserie folgt Johann Sebastian Bach »Auf der Suche nach Vollkommenheit«. Mit vielen Klangbespielen, 3D-Hörspielen, interaktiven Stationen, kostbaren Notendrucken und Werken der bildenden Kunst entführt die Ausstellung in die Geheimnisse seiner Werke für Tastenmusik.

 

In Leipzig veröffentlichte Bach erstmals systematisch Kompositionen für Clavier, Orgel und andere Instrumente. Er schuf richtungsweisende Sammlungen in allen Gattungen und Stilen: die Clavier-Übung Teil 1-4, das Wohltemperierte Klavier Teil 2, das Musikalische Opfer oder die Kunst der Fuge. Stets auf der Suche nach Vollkommenheit, arbeitete er musikalische Gedanken umfassend aus und erforschte ihr kompositorisches Potenzial. Dabei formte er sie zu größtmöglicher Vollstimmigkeit und führte sie durch die „verstecktesten Geheimnisse der Harmonie“, wie es sein Schüler Johann Friedrich Agricola ausdrückte. So schuf Bach unvergängliche Werke von bahnbrechender musikalischer Erfindungskraft und einzigartigem Gestaltungsreichtum.

 

Goldberg-Variationen im Zentrum

 

Im Zentrum des zweiten Teils der Jubiläumsausstellung stehen Bachs Goldberg-Variationen. Eine facettenreiche interaktive Station erlaubt es, tief in Bachs kunstvollen Zyklus einzutauchen: seine Kompositionsweise zu verfolgen, Interpretationen zu vergleichen sowie Anekdotisches zur Werkentstehung und Wissenswertes über die Verarbeitung in der Literatur zu erfahren.

 

Die Goldberg-Variationen werden auch durch Werke der bildenden Kunst beleuchtet. Erstmals in Deutschland ist die 30-teilige Gemäldeserie Goldberg-Variationen (2011-2015) der niederländischen Künstlerin Elisabeth Müller (geb. 1946 in Meppel) zu sehen. In der Tradition des niederländischen Konstruktivismus stehend, zeichnen sich ihre Werke durch ein variantenreiches Spiel mit geometrischen Figuren aus. Bachs Klavierwerke sind für die Künstlerin und aktive Musikerin eine unerschöpfliche Inspirationsquelle. Zur Ausstellungseröffnung schenkt sie dem Bach-Archiv zwei Arbeiten zu Bachs Goldberg-Variationen: »Sechs Papiermodelle auf sechzehn Ebenen« (2014) und »Sechzehn Papiermodelle auf sechzehn Papiersockeln« (2015). Beide Werke sind in der Ausstellung zu sehen.

 

Bildnachweis: Gert Mothes

3. Akt: Bachs Musik wird zum Modell

16. November 2023 bis 24. März 2024

 

»Starke Vollstimmigkeit«, »Geheimnisse der Harmonie«, »Mannigfaltigster Rhythmus«, »In einer einzigen Stimme« und »Erfindungsvolle Gedanken« sind die Kapitel des finalen Ausstellungsaktes überschrieben. Diese fünf charakteristischen Merkmale der Bachschen Kompositionskunst stellt die Ausstellung vor und zeigt an ausgewählten Beispielen, wie sie nachfolgende Generationen zur Auseinandersetzung anspornte und auf neue Wege des Komponierens führte. Zu sehen sind Handschriften von Gustav Mahler und Max Reger, Erstausgaben von Werken Felix Mendelssohn Bartholdys, die erste Bach-Biografie von Johann Nikolaus Forkel und vieles mehr. Die Siebdruckfolge »Hommage à Johann Sebastian Bach« des spanischen Künstlers Eduardo Chillida zeigt eindrucksvoll, wie Johann Sebastian Bach die Kunst über alle Gattungsgrenzen hinweg beflügelte.

 

Viele Popstars ließen sich von Bachs Musik inspirieren. Auf welche Bach-Werke die Beatles, Sting oder Lady Gaga zurückgriffen und wie sie sie in ihren Hits verarbeiteten, macht eine zentrale interaktive Station erlebbar. Die Museumsgäste können zudem ihre eigenen Bach Charts aufstellen oder von Bach inspirierte Musikstücke auf einer Weltkarte den Entstehungsländern zuordnen.

 

Foto: Brigitte Braun

Starke Vollstimmigkeit

Ludwig van Beethoven fand in Bachs Kompositionen Modelle für die Verarbeitung musikalischer Themen und den Umgang mit Harmonik: Seine »Große Fuge« op. 133 – ein höchst unkonventionelles Werk für Streichquartett – wurde maßgeblich durch Bachs Zyklus »Die Kunst der Fuge« beeinflusst. Felix Mendelssohn Bartholdy wiederum spornte die Beschäftigung mit Bachs Musik zur Erneuerung der Kirchenmusik im 19. Jahrhundert an. Bachs Einfluss ist in vielen seiner Oratorien, Chor- und Orgelwerken spürbar. Durch seine Aufführungen rückte er Bachs Oratorien zudem in den Fokus der Öffentlichkeit.

 

Zahlreiche Komponistinnen und Komponisten drückten ihre Bach-Verehrung durch Bearbeitungen aus: darunter Johannes Brahms, Franz Liszt, Camille Saint-Saëns, Ferrucio Busoni, Max Reger, Percy Grainger, Sergej Rachmaninow, Bela Bartók oder Myra Hess. Die Vertreter der »Zweiten Wiener Schule« - Arnold Schönberg und sein Schüler Anton Webern – nutzen Bachs Kontrapunktik als Inspiration für ihre eigene Kompositionsweise, die Zwölftontechnik. Sie wollten die komplexen Strukturen der Bachschen Werke verständlich machen: »erwecken, was hier noch in der Verborgenheit dieser abstrakten Darstellung durch Bach selbst schläft und für fast alle Menschen ... gar nicht da oder mindestens völlig unfassbar ist. « (Zitat: Anton Webern)

Geheimnisse der Harmonien

Zukunftsweisend waren Bachs farbig harmonisierten Choräle und seine Kunst, Akkorde und Melodien mit Tönen fremder Tonarten anzureichern. Alban Berg verschmolz Bachs berühmten Choral »Es ist genug«(BWV 60) in seinem Violinkonzert kongenial mit der Zwölftontechnik. Kaum zu überschätzen ist der Einfluss, den Bachs Wohltemperiertes Klavier auf nachfolgende Generationen hatte: Es wurde zum zeitlosen Lehrwerk und inspirierte u.a. Frédéric Chopin, Paul Hindemith und Dmitri Schostakowitsch zu eigenen Werkzyklen.

Mannigfaltigster Rhythmus

Rhythmus und Taktmaß spielen in Bachs Musik eine wichtige Rolle. Seine Vorliebe, regelmäßige Metren mit gegenläufigen Betonungen oder Rhythmen zu kombinieren, erinnert an den Jazz. Kein Wunder, dass berühmte Vertreter des Genres wie Jacques Loussier, Bobby McFerrin und Till Brönner Bachs Musik für sich entdeckt haben.

In einer einzigen Stimme

In seinen Solowerken gelang es Bach, auf einem einzigen Melodieinstrument den ganzen Reichtum seiner Kunst zu verwirklichen. Wo Doppelgriffe und Bogentechnik an Grenzen stießen, deutete Bach kunstvollste Stimmen und Harmonien so geschickt an, dass sie in der Fantasie der Zuhörenden ihr vielgestaltiges Klanggewebe entfalteten. Auf das Konzertpublikum des 19. Jahrhundert wirkten diese Meisterwerke zunächst ungewohnt. Robert Schumann schuf daher Klavierbegleitungen zu den sechs Sonaten und Partiten für Violine solo. Die berühmte Chaconne aus der Partita d-Moll verwandelte  Ferrucio Busoni in ein opulentes Klavierwerk. Camille Saint-Saëns arrangierte die Gavotte aus der Partita e-Moll für Klavier. Aber keine Bearbeitung kann sich mit dem Original messen.

Erfindungsvolle Gedanken

Bachs Erfindungskraft war überragend: Kunstvollsten Fugen und Kanons verlieh er größte Ausdruckstiefe. Choräle verarbeitete er fantasievoll zu Kantaten und Choralvorspielen. Der Variantenreichtum seiner Präludien und Fugen, Variationen, Suiten, Konzerte, Arien und Chöre ist schier unerschöpflich. Wie Bach die Verarbeitung musikalischen Materials in alle Richtungen erforschte, wirkte unvergleichlich anregend auf spätere Komponisten. Felix Mendelssohn Bartholdy knüpfte an Johann Sebastian Bach an und begründete eine neue Epoche der Orgelmusik: In seinen Sechs Sonaten op. 65 entwickelte er Techniken der Fuge und Choralverarbeitung weiter und schuf den Typ der romantischen Orgelsonate.

 

Autographe Klavierstimme von Gustav Mahlers Bach-Suite (1909). Rechte: Bach-Archiv Leipzig

 

Die Musik zur Ausstellung

Alle Titel, die wir in der Ausstellung zu Gehör bringen, finden Sie in dieser Playlist bei Spotify.

 

 

Wir danken unseren Förderern:

 

  

 

        

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